Adrian hatte abgewartet, bis Philine schlief. Sie hatte den Kopf des blonden Mädchens gestreichelt, so zart, als könnte es dabei zerbrechen. Vermutlich war es so, oder so ähnlich. Sie war zerbrechlich und auf diesem Schiff passierte zu viel für das noch oft so kindlich erscheinende Gemüt. Mit dem was sie jetzt wusste, bestätigte sich das auch. Adrian selbst ertrug kaum was hier passierte, wie zur Hölle sollte … dann erst Philine mit alledem zurechtkommen?
Sie erhob sich leise, als sie sich sicher war, das Philine schlief und schlich aus dem Quartier. Sie hatte kein großes Interesse daran Tabun zu begegnen. Nicht, nachdem er sie… Adrian atmete den Gedanken weg und beeilte sich über die Korridore zur Krankenstation zu gelangen. Dort griff sie nach ihrem Block, um ein paar private Notizen zu machen. Ihr Blick fiel dabei auf die Stichworte, die sie zur Trauerfeier / Beerdigung Jayvins niedergeschrieben hatte. Allein der Gedanke daran, trieb ihr erneut die Tränen in die Augenwinkel. Das alles war auch zu viel für sie gewesen. Jetzt noch dieser Fremde … Wletv. In ihren Augen hatte auch er, eine würdige Bestattung verdient, auch wenn Tabun das mit Sicherheit anders sehen würde. Immerhin war er nur ein Sammler gewesen. Auf der anderen Seite war er immer noch ein Mörder. Trotzdem empfand Adrian keine Wut mehr auf den Mann.
Diese hatte sich auf Tabun kanalisiert und auch noch nicht gelegt. „Kommunikationsproblem“, murmelte sie leise vor sich hin und beinahe wäre dabei der Stift zerbrochen, den sie zwischen den Fingern hielt. Wütend klatschte sie diesen auf das Biobett, dass ihr als Schreibtisch diente. „Du kannst mich mal, mit deinem Kommunikationsproblem!“
Etwas lauter schrie sie nun die Wand an, denn diese war die einzige die ihr zuhörte, ihre Tränen sah. Immer wieder schüttelte Adrian den Kopf. Sie musste blind gewesen sein. Was zur Hölle hatte sie in diesem Mann gesehen? Dabei hätte sie es ahnen können, immerhin hatte sie Wletvs Wunden versorgt. Aber das war etwas anderes, oder? Er hatte sich verteidigt, sein Leben und das der anderen beschützen wollten. Ihres zuvor gerettet. Die Methode die Tabun dabei gewählt hatte, war ihr nahezu bekannt und sie wollte sich nicht ausmalen, wie viel der Raumfahrer hatte einstecken müssen.
Adrian keuchte auf und ging in die Knie. Im Gegensatz zu ihr, war Tabun vielleicht kaum in einer liebevollen Familie aufgewachsen. Als Orioner, war sein Umfeld sicher anders, sehr viel härter gewesen. Wirklich Adrian, bringst Du jetzt noch Mitgefühl für diesen Mann auf? Sie hatte so viel einstecken müssen und letztlich war ein gewaltbereiter Mann wie Tabun der Grund gewesen, wieso sie einfach nur wegwollte. Mitnichten hatte sie diesen Traum von einem Ritter, mit strahlender Rüstung. Aber sie hatte doch tatsächlich in Tabun etwas gesehen, dass… sie geblendet? …hatte. Sie war ihm so nahe gewesen und das mehr als einmal. Irgendwas an ihm zog Adrian noch immer gefährlich an.
Aber seit dieser Geiselnahme war einfach alles anders geworden. Hatte sie erneut versagt, verurteilte sie hier ungerecht? Nein. Tabun hatte sie geschlagen. In keinem Moment hatte sie sich oder Philine in Lebensgefahr gesehen. Er hatte aufgrund ihrer Widerworte ausgeteilt, wie Jegrev. Jegrev… seit dem Erlebnis damals, hatte sie diesen Namen nicht aussprechen können und es hatte Monate gedauert, bis sie ihren Posten bei 'Emerson & Flint Medics' wieder antreten konnte. Letztlich hatte sie dieser Reise zugestimmt, um Abstand von allem zu finden, vielleicht neu anzufangen.
Sie hatte versagt, mal wieder. Ja, wahrscheinlich war es das. Denn ihr Leben zeichnete ein Diagramm des Versagens. Vermutlich versagte sie gerade deshalb auch menschlich, wobei gerade Philine ihr in dieser Hinsicht ein anderes Zeichen setzte.
Adrian legte die Arme um sich herum, atmete und meditierte, so wies sie es mal gelernt hatte. Sie schaukelte sich dabei in eine Art Trance, die sie irgendwann auf eine Ebene holte, in der sie befreit durchatmet nun sich erheben konnte. Sie ließ alles so liegen, wie es war und verließ die Krankenstation um ein wenig spazieren zu gehen …