Cleburne, Texas, Erde
8. Dezember 2387
Ein lautes „Mooooom!!!“ durchdrang das Haus, als die Eingangstür ins Schloss knallte und ehe sie sich versah, hatte Francine auch schon das kleine Gespenst am Bein kleben, das das Haus seit Monaten sprichwörtlich heimsuchte. Es schien die Kleine auch nicht weiter abzuschrecken, dass ihre Hosenbeine von den draußen vorherrschenden Schneefällen durchnässt waren, zumindest sprach die Tatsache dafür, dass sich der Klammergriff des kleinen Mädchens verstärkte, als Francine sie spielerisch abzuschütteln versuchte, indem sie das Bein anhob und etwas schüttelte. Als die Kleine auch noch zu lachen begann, kam Francine nicht umher zu versuchen, sie durch eine riskante Kitzelaktion von ihrem Bein zu lösen… Was ihr auch sogleich durch einen lauten Schrei gedankt wurde. Offenbar hatte sie damit das große Gespenst des Hauses geweckt, das mit Kochschürze und Teigspatel bewaffnet in den Flur trat und das Treiben mit unheimlicher Stille verfolgte... Bis sich schließlich auch bei ihr ein Grinsen herauskristallisierte.
Schließlich gab das kleine Gespenst nach, was bei der Kitzelattacke ihrer Mutter auch nicht weiter verwunderlich war. Francine hob sie kurzerhand hoch und gab ihr einen dicken Schmatzer auf den Mund. „Na mein Heiferchen, hast du mich vermisst?“ Das kleine Mädchen reagierte gar nicht erst auf die Frage, sondern nahm anstelle des Beins nun ihren Hals in einen erbarmungslosen Klammergriff… Was irgendwo auch einer Antwort gleichkam. „Nicht so fest, Jessy, du erwürgst mich noch“, sagte sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht, was die Kleine aber nicht weiter zu kümmern schien. Also legte die Ärztin einfach die Arme um sie und trat auf das große Gespenst zu, das sich offenbar mit dem kleinen zu einem hinterhältigen Überfall auf die Texanerin verschworen hatte. So sah sie sich mit zwei Klammeraffen an ihrem Hals konfrontiert, was sie nun endgültig zur Kapitulation veranlasste.
„Also gut, ihr zwei. Ihr wollt offenbar etwas und solange es nicht größer als Dallas ist, könnt ihr es haben, wenn ihr mich am Leben lasst“, unterbreitete sie ihre Kapitulationsbedingungen, die scheinbar akzeptabel für das Gespensterbündnis waren. Nadine nahm Jessy in den Arm, die ihrer Mom – wie es sich für ihre Tochter nun mal gehörte – frecherweise die Zunge rausstreckte. Irgendwie war Francine sogar stolz auf sie…
„Wir hatten uns überlegt, ob wir dieses Weihnachten nicht bei meiner Mutter verbringen wollen“, ließ die Physikerin die Bombe platzen, was auch wie einen entsprechenden Krater hinterließ. Francine nutzte die Zeit, die sie hatte, während sie ihre Jacke auszog – worunter anstelle des sonst üblichen, grünen Notaufnahmekasacks ihr weißer Kittel zum Vorschein trat -, um darüber nachzudenken, wieso ihre beiden Anhängsel das erste gemeinsame Weihnachten auf der Erde nicht in ihrem eigenen Haus verbringen wollten. Ein Haus wohlgemerkt, um das zu schmücken Francine Kopf und Kragen riskiert hatte.
„Kann Jennifer etwa doch nicht zu uns kommen?“, fragte die Ärztin, während sie die Jacke aufhängte, den Schnee von ihr abklopfte und dann den Kittel über die nebenanstehende Kommode warf. „Oma Jennifer muss arbeiten!“, antwortete Jessica mit einer recht überschwänglichen Stimme… Ohne jeden Grund. Ganz wie ihre Mom es sie gelehrt hatte.
„Hat sie nun doch Dienst?“, schloss Francine an, trat an ihre Frau heran und nahm ihr das kleine Mädchen wieder ab, deren überschwängliche Heiterkeit sie mit einem weiteren Schmatzer belohnte. „Leider ja, deswegen würde es sich wohl anbieten, wenn wir bei ihr feiern. Sie würde es sonst nicht zu Heiligabend schaffen.“
„Die Bürden eines Chefarztes…“, kommentierte die Notaufnahmeärztin, die dies nur zu gut selbst kannte, war sie doch selbst Chefärztin einer der größten Notaufnahmen des Planeten.
„Um ehrlich zu sein wurde sie zur Ärztlichen Direktorin ernannt. Doch das weißt du nicht von mir“, antwortete Nadine lächelnd und tätschelte den Kopf ihrer Tochter, die sich an ihre Mom gekuschelt hatte. „Ärztliche Direktorin? Jennifer? Man sollte sie wirklich nicht ein Cowgirl nennen bevor man sie nicht hat reiten sehen…“, entgegnete die Texanerin, die ihre Tochter erst mal im Wohnzimmer auf der Couch absetzte, da ihr Rücken nicht mehr mitspielen wollte.